125 Jahre BFV: Gleichberechtigte Teilhabe im Sport

2010 standen sich die Blindenfußball-Nationalmannschaften von Deutschland und der Türkei in einem Spiel vor dem Reichstagsgebäude gegenüber.

Zum Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga in Berlin befasst sich der BFV mit der Entwicklung von Inklusion im Berliner Sport.

Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des BFV im Jahr 2022 blicken Daniel Küchenmeister und Thomas Schneider vom Verein Sport:Kultur e.V. in einer Artikelserie auf die bewegte Geschichte des Berliner Fußballs zurück. Dazu erscheinen in regelmäßigen Abständen Texte zu vielfältigen historischen Themen. Zum Spieltag der Blindenfußball-Bundesliga in Berlin befasst sich dieser Beitrag mit der Entwicklung, Bedeutung und Gegenwart von Inklusion im Berliner Fußball.

Inklusion auf großer Bühne

Im Mai 2010 fand in Berlin ein denkwürdiges Fußballspiel vor bemerkenswerter Kulisse statt. Aufeinander trafen die deutsche und die türkische Nationalmannschaft, und der Austragungsort war nicht etwa eines der viele Fußballstadien in der Stadt, sondern die Wiese vor dem Reichstagsgebäude. Es handelte sich um eine Partie im Blindenfußball, für die eigens eine kleine Arena an dieser geschichtsträchtigen Stätte errichtet wurde.

Im Blindenfußball treten fünf Spieler:innen auf beiden Seiten gegeneinander an, die jeweils blind oder stark sehbehindert sind. Der Ball ist im Inneren mit Rasseln ausgestattet, was den Akteur:innen erlaubt, seine Position zu lokalisieren. Die mannschaftseigenen Guides, die jeweils hinter dem gegnerischen Tor positioniert sind, sowie die Trainer:innen an den Banden dirigieren mit Zurufen ihre Spieler:innen. Diese orientieren sich untereinander und warnen sich gegenseitig mit dem Ausruf „Voy!”, der aus dem Spanischen stammt und „Ich komme!” bedeutet. Bemerkenswert ist, wie rasant das Spiel abläuft und mit welcher Ballsicherheit die Akteur:innen agieren. Wenn man sich bewusst macht, dass sie nichts sehen können, verwundert es schon, mit welchem Einsatz – um nicht zu sagen Wagemut – eine Partie im Blindenfußball vonstatten geht. Diese spezielle Spielart gibt es in Deutschland seit 2006, die vom Deutschen Behindertensportverband, dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und der Sepp-Herberger-Stiftung gegründete Blindenfußball-Bundesliga startete im März 2008 in ihre erste Saison.

Dass die Wahl für die einmalige Austragung eines Länderspiels der Blindenfußball-Nationalmannschaft auf diesen Ort fiel und die Begegnung damit in unmittelbarer Nähe des Deutschen Bundestages stattfand, hatte natürlich symbolischen Charakter. Es sollte zum Ausdruck bringen, dass die gleichberechtigte Teilhabe aller am Leben in der Gesellschaft eine bleibende Aufgabe von Politik, aber auch der Zivilgesellschaft ist. Dies betrifft natürlich auch den organisierten Sport und damit den Berliner Fußball-Verband und seine Vereine.

Es gilt, Angebote zu schaffen, Ressourcen bereitzustellen und ein öffentliches Bewusstsein zu bilden. Öffentlichkeitswirksame Events wie jenes besagte Spiel im Mai 2010 leisten hierzu einen wertvollen Beitrag. Aber auch im Alltag müssen Vorurteile abgebaut, gegenseitiges Verständnis hergestellt und die Bereitschaft geschaffen werden, sich auf vielfältiges Anderssein einzulassen. Daran arbeitet auch der Berliner Fußball-Verband, indem er seine Mitgliedsvereine ermutigt, inklusive Strukturen und Angebote zu etablieren.

Fußball für Menschen mit geistiger Behinderung

Ein weiteres Beispiel dafür, wie Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen am Fußballsport aktiv teilhaben können, ist die Deutsche Fußball-Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die von der BAG WfbM und der Sepp-Herberger-Stiftung veranstaltet und seit 2000 ausgetragen wird. Hier treten rund 340 Aktive mit geistigen oder psychischen Behinderungen aus den rund 700 Werkstätten in Deutschland an und ermitteln alljährlich die beste deutsche WfbM-Mannschaft.

Unterhalb dieser Ebene bieten die DFB-Landesverbände und die LAG WfbM verschiedene Spielmöglichkeiten für Werkstatt-Teams an. Dabei steht nicht allein der Wettbewerb im Vordergrund, sondern die Fußballerinnen und Fußballer sollen auf spielerische Weise Werte wie Fairplay, Toleranz und Zusammenhalt erleben sowie die Möglichkeit bekommen, für sportliche Leistungen Anerkennung zu erhalten, jenseits ihrer Behinderung wahrgenommen zu werden und sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen.

Gegenwart und Zukunft

Um Inklusion im Fußball voranzubringen und die Vereine bei der Schaffung von entsprechenden Angeboten zu unterstützen, gibt es beim Berliner Fußball-Verband eigens die Stelle eines Inklusionsbeauftragten. Der BFV ist Mitglied im Netzwerk Sport & Inklusion und setzt sich für eine inklusive Berliner Sportlandschaft ein. Er fördert und informiert über verschiedene Fußballvarianten, die Menschen mit unterschiedlichen Handicaps das Spielen ermöglichen wie Rollstuhl-, Rollatoren oder Amputiertenfußball.

Nächster Meilenstein auf dem Weg zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen sind die Special Olympics World Games, also die Weltspiele der Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, die im Jahr 2023 in Berlin ausgetragen werden und in deren Rahmen es auch ein Fußballturnier geben wird. Hier haben die Stadt und die Berliner Fußballfamilie erneut Gelegenheit zu zeigen, dass sie ein guter Gastgeber sind und es mit der Umsetzung einer inklusiven Gesellschaft ernst meinen.

Alle Artikel, die im Rahmen der Serie bereits erschienen sind, können hier nachgelesen werden: 125 Jahre BFV

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