Handlungsempfehlungen für Vereine

Menschen mit Behinderung in den Verein aufzunehmen –  sei es als Spieler:in, Betreuer:in, Trainer:in oder in einer anderen Rolle – scheint eine große Herausforderung, die mit viel zusätzlicher Arbeit verbunden ist. Die folgenden Hinweise und Tipps können bei der Implementierung eines inklusiven oder eines spezifischen Fußballangebots für Menschen mit Behinderung unterstützen und vor allem zeigen, welchen Mehrwert die Arbeit für Vereine hat.

Vorteile und Chancen von inklusiven Fußballangeboten

Für Vereine

  • Steigerung des Bekanntheitsgrades
  • Besondere Wahrnehmung der sozialen Verantwortung
  • Verbesserung/Stärkung des Images
  • Schaffung eines Alleinstellungsmerkmals
  • ggf. vereinfachte Akquise von Sponsoren
  • Möglichkeiten der Finanzierung durch externe Fördertöpfe
  • Mitgliederzuwachs

Für Spieler:innen

  • Förderung sportlicher und sozialer Kompetenzen
  • Sportliche Betätigung
  • Aufbau (neuer) sozialer Kontakte
  • Teilhabe am Gesellschaftsbereich Fußball
  • Anerkennung und Wertschätzung
  • Weiterentwicklung der Persönlichkeit
  • Wahrnehmung von Vielfalt als Normalität

Tipps und Hinweise für die Umsetzung in der Praxis

Natürlich stellen sich viele Vereine bei der Implementierung von inklusiven Fußballangeboten auch verschiedene organisatorische Fragen: Welche medizinischen Vorsorgemaßnahmen müssen getroffen werden? Was ist beim Thema Versicherungsschutz zu beachten? Und gibt es finanzielle Fördermöglichkeiten?

Diese und weitere Fragen werden in den folgenden Abschnitten thematisiert. Bei komplexeren Anliegen kann gerne der Kontakt zu den jeweiligen Ansprechpersonen aufgenommen werden.

Handicap-Börse für inklusive Fußballangebote

Dem Fußball ist egal, wer gegen ihn tritt. In der Handicap-Börse des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) können Vereine Fußballangebote online stellen, die sich an Menschen mit Behinderung richten. Alle Fußballvereine können auch schon im DFBnet-Vereinsmeldebogen angeben, ob und in welchen Bereichen Angebote für Fußballer:innen mit Behinderung existieren und diese zusätzlich über ein Freitextfeld beschreiben.

Folgende neun Fußballvarianten und Spielformen für Menschen mit Behinderung können mittels Checkboxen ganzjährig im Meldebogen hinterlegt werden:

  • Blindenfußball
  • Amputiertenfußball
  • Sitzfußball
  • CP-Fußball
  • Gehörlosenfußball
  • Rollstuhlfußball
  • GB-Fußball (Fußball für Menschen mit geistiger Behinderung)
  • Werkstattfußball
  • weitere integrative Spielformen

Der Weg zur Eintragung eines solchen Angebotes im DFBnet-Vereinsmeldebogen ist ganz einfach: Nach dem Klick auf den Button „Vereinsadressen“ erscheint in der Kopfnavigation der Reiter „Handicap-Fußball“. Dort können neben der Abbildung des jeweiligen Teams auch eigene Ansprechpersonen und Kontaktdaten hinterlegt werden. Sollten keine zusätzlichen Personen eingetragen sein, werden automatisch die offizielle Vereinsadresse und die Standard-Ansprechpartner:innen des Vereins ausgegeben.

Die Daten werden unmittelbar in die bestehende Handicap-Börse auf dfb.de übertragen. Dort können fußballbegeisterte Spieler:innen mit Behinderungen dann den passenden Fußballverein in ihrer Umgebung finden. Zudem haben die Klubs die Möglichkeit, für das eigene Team zu werben oder andere Mannschaften zu kontaktieren, um sie beispielsweise zu Turnieren oder Freundschaftsspielen einzuladen.

Rückstufung in eine niedrigere Altersklasse im Jugendfußball

Der Berliner Fußball-Verband hat in seiner Jugendordnung (§8 Einteilung der Altersklassen) die Möglichkeit einer  Rückstufung für Menschen mit Behinderung geschaffen. So wird allen Spieler:innen mit Behinderung in der G- bis E-Jugend, sowie in der D- bis A-Jugend unterhalb der Landesliga, die Beantragung eines Sonderspielrechts für die nächst niedrigere Altersklasse ermöglicht. Dies gilt für Spieler:innen, die als schwerbehindert (Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent) eingestuft sind oder bei denen eine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt. Die Möglichkeit zur Rückstufung ist auch gegeben, wenn eine entsprechende körperliche oder psychisch-geistige Entwicklungsverzögerung vorliegt. In allen Fällen muss ein entsprechendes Attest eines Arztes vorgelegt werden. Für die Untersuchungen kooperiert der Berliner Fußball-Verband mit der Charité Berlin, die nach Möglichkeit auch sehr kurzfristig Termine bereitstellt.

Seit 2015 hat der Berliner Fußball-Verband 31 solcher Anfragen erhalten und an die Fachärzte der Charité vermittelt. In über 85 Prozent aller Fälle wurde das Spielrecht für die nächst niedrigere Spielklasse nach erfolgter Untersuchung erteilt. Das Sonderspielrecht hat jeweils für eine Saison bestand, kann aber für die darauffolgende Saison erneut und meist ohne weitere Untersuchung beantragt werden.

Fragen zum Erhalt eines Sonderspielrechts können per Mail an Andreas Kupper (Vorsitzender des Jugendausschusses: mirko.schubert@berlinerfv.de) gerichtet werden.

Versicherung und Vorsorge

Vereinsmitgliedschaft

Die Versicherung von Spieler:innen mit Behinderung besteht wie auch für alle weiteren Spieler:innen durch die Vereinsmitgliedschaft. Bei Turnieren und sonstigen Veranstaltungen ist der Versicherungsschutz in gleicher Form durch den Veranstaltenden (Organisation, Verein) zu gewährleisten. Für Menschen mit Behinderung sind also keine Zusatzversicherungen vorausgesetzt.

Aufsichtspflicht

Im Hinblick auf die Aufsichtspflicht bestehen ebenfalls keine erweiterten Vorgaben. Die aufsichtspflichtigen Personen haben dafür zu sorgen, dass die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Personen selbst nicht zu Schaden kommen, keiner anderen Person Schaden zufügen und keine Sachen beschädigen. Art und Umfang der Aufsicht richtet sich nach Alter, geistiger und charakterlicher Reife sowie dem Verhalten der zu beaufsichtigenden Personen. Die Aufsichtspflicht beginnt in angemessener Zeit (in der Regel 15 Minuten) vor der Sporteinheit und endet mit dem Weggang der zu beaufsichtigen Personen von der Sportanlage. Die Haftung bei Verletzungen der Aufsichtspflicht ist in §823 und §832 BGB geregelt.

Unfallverhütung

Für inklusive Fußballangebote gelten jedoch erweiterte Grundsätze der Unfallverhütung:

  • Intakte und ordentliche Umkleidekabinen
  • Sichere Sportstätten (keine Stolperfallen o. Ä.)
  • Intakte Sportgeräte
  • Eindeutige Markierungen und Wege
  • Sportbekleidung (kein Schmuck, Sportbrillen usw.)

Darüber hinaus sind folgende Risikofaktoren zu beachten:

  • Emotionalen Faktoren wie Angst, Aggression, Risikobereitschaft, Selbstüberschätzung
  • Kognitiven Faktoren wie gestörte Sinneswahrnehmung, verringerte Einschätzung von Dynamik und Kraft, fehlende Risikoeinschätzung
  • Sensomotorische Faktoren wie Bewegungseinschränkungen, Prothesen, Gleichgewichtsstörungen, Ermüdung

Medizinische Vorsorge

Folgende Vorkehrungen der medizinischen Vorsorge sind zu treffen:

  • Einholen von ärztlichen Attesten (keine konkreten Vorgaben)
  • Informationen bei betreuenden Personen und Eltern einholen
  • Notfallkoffer bereitstellen
  • Erlaubnis zur Verabreichung von Medikamenten (im Notfall) durch Übungsleitende einholen
  • Notfallszenario mit Teambetreuer:innen, Spieler:innen und Eltern absprechen und gegebenenfalls einüben

Schutzvereinbarung zu sexueller Gewalt

Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung können ein anderes Verständnis von körperlicher Nähe und Distanz haben. Hier ist es wichtig, Regeln aufzustellen und Grenzen zu setzen, um prekäre Situationen zu vermeiden. Es bedarf einer erhöhten Sensibilität für übergriffige Situationen sowohl zum Schutz der Spieler:innen als auch der Übungsleitenden.

Schutzvereinbarungen klären eindeutig, wie sich Übungsleitende und Betreuer:innen zur Vermeidung von prekären Situationen zu verhalten haben. Diese sollten schriftlich fixiert und im Idealfall von allen Übungsleitenden und Betreuer:innen im Verein – unabhängig ob eine inklusive oder eine andere Kinder- und Jugendmannschaft trainiert wird – unterschrieben werden. Hierfür ist auch die Einsicht in ein erweitertes Führungszeugnis dringend zu empfehlen.

Kooperationsmöglichkeiten und Förderung

Kooperationsmöglichkeiten

Das DFB-Programm Gemeinsam am Ball oder das Programm Schule und Sportverein des Landessportbunds Berlin (LSB) fördern Kooperationen zwischen Regelschulen, Förderschulen und Fußballvereinen. Das Ziel dieser Programme ist es, die Kinder und Jugendlichen für Sport und Bewegung zu begeistern und das im ersten Schritt sehr niedrigschwellig und vor Ort in den Schulen. Die Kooperationen werden in Form von Honorargeldern und Sportmaterialien unterstützt. Die Voraussetzungen sind eine Mitgliedschaft im DFB oder LSB. Die Übungsleitenden müssen zudem über eine C-Lizenz verfügen und das Angebot muss mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von mindestens einem Schuljahr durchgeführt werden.

Förderung

Die Gründung von inklusiven und spezifischen Fußballangeboten für Menschen mit Behinderung direkt in den Fußballvereinen lassen sich durch diverse Fördermittelgeber und Stiftungen komplett oder anteilig finanzieren. Hervorzuheben ist die Aktion Mensch und das Förderprogramm Begegnung, Kultur und Sport. Es fördert sogenannte Mikroprojekte und Angebote, die sich an Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche oder Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten richten. Der maximale Förderzuschuss beträgt 5.000 Euro und die Laufzeit maximal ein Jahr. Für die Umsetzung des Projekts sind keine Eigenmittel notwendig. Förderfähig sind sowohl Sach- als auch Honorarkosten, jedoch keine Personalkosten.

Zur Antragsstellung: Förderung der Aktion Mensch