Blindenfußball-Training bei der SG Stern Kaulsdorf

Die Spieler der SG Stern Kaulsdorf beim Blindenfußball-Training. Foto: Stefan Siegmund.

Am 28.04.2015 hatten die Fußballer der Jahrgänge U13-U17 der SG Stern Kaulsdorf die Möglichkeit, ihren geliebten Sport einmal aus einer völlig unbekannten Perspektive zu erleben. Darüber berichtet Stefan Siegmund, Trainer der B-Jugend.

Zu Gast auf dem Sportplatz Lassaner Straße waren an diesem Tag zwei Fußballer des SV Viktoria Berlin, einem von neun in Deutschland aktiven „Blindenfussball-Klubs“.

Aber „blind“ Fußball spielen? Ist das überhaupt möglich?

Dazu ein kleiner Überblick. „Blindenfussball“ wird auf einem Feld mit Handballgröße und auf Handballtore gespielt. Die Seitenlinien sind durch hüfthohe Banden begrenzt, die, wie wir später erfahren durften, sowohl zur Orientierung dienen, als auch verhindern sollen, dass der Ball immer wieder ins Aus rollt. Der Ball selbst ist eine Art Futsal-Ball, er springt also kaum. Zusätzlich ist im Ball eine Rassel integriert. Vier Feldspieler treten gegeneinander an, dazu je Team ein Torhüter. Der Torhüter ist auf dem Spielfeld als einziger in der Lage zu sehen, daher wird sein Bewegungsraum auch auf einen Torraum von 2m Länge eingeschränkt. Gleichzeitig ist er für die Anleitung seiner Spieler verantwortlich, eine Aufgabe in der er von einem Torguide unterstützt wird, der hinter dem gegnerischen Tor, sehend, seine Mannschaft offensiv zum Ziel führt. Da nicht jeder „blinde“ Spieler den gleichen Grad des Nichtsehens hat, tragen die Spieler zusätzlich blickdichte Skibrillen, sowie einen Kopfschutz, um Verletzungen zu vermeiden.

Nun durften wir also selbst erleben, was es bedeutet, „blind“ Fußball zu spielen. Alle Spieler erhielten eine blickdichte Brille sowie den obligatorischen Kopfschutz, und mit einigen einfachen Übungen begannen wir die Trainingseinheit. Es ging darum, Entfernungen einzuschätzen, was zu einem harten Durchbrechen der Spielfeldbande führte („Ich wollte schon noch fünf Schritte machen“), über erste Schritte mit Ball dem Kommando eines Mitspielers folgend und dann die ersten Torschüsse. All das in für uns völlig ungewohnter, totaler Dunkelheit, folgend nur den Geräuschen des Balls und den Rufen unserer sehenden Mitspieler. Dies setzte eine Menge Vertrauen in die führende Person voraus, und man fühlte sich teilweise sehr ausgeliefert.

Das Verlieren dieses wichtigen Sinnes war sehr beängstigend, denn nach nur wenigen Schritten stolperte man ohne Anleitung völlig orientierungslos über den Trainingsplatz. Besonders beeindruckend empfand ich es daher, als der „blinde“ Fußballer Edes uns eigentlich „sehenden“ Spielern den Weg zum Ball wies, uns buchstäblich an die Hand nahm, und zum Ziel führte.

Nach dem, zugegeben chaotischen, Abschlussspiel, hatten alle Spieler die Möglichkeit, Fragen zu stellen über den Fußball und das „blind“ sein an sich. Diese Möglichkeit wurde gerne angenommen und nach 90 Minuten kehrten wir in unsere bekannte, „sehende“ Welt zurück.

Dieser Tag hat in mir großen Respekt erzeugt gegenüber den Menschen, die nicht sehend durch unsere Welt gehen. Auch hat es geholfen Ängste abzubauen, denn wie schnell rutscht einen mal ein „Hast du den Schuss gesehen?“ über die Lippen, im nächsten Moment schon kennt man die Antwort, und doch nimmt es einem niemand böse.

Aus eben diesem Grund habe ich alle Begriffe die sich auf das Wort „blind“ beziehen in Anführungsstriche gesetzt, denn die Menschen, die nicht sehend durch diese Welt gehen, sind vieles, aber gewiss nicht blind, und somit hat mir dieser Tag tatsächlich die Augen geöffnet.